RIKEPA hilft: Geburtshilfe in Madagaskar

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Liebe LeserInnen,

Rikepa Demo unterstützt seit Jahren Entwicklungsprojekte rund um die Welt mit Geld- oder Sachspenden. Ein ganz wunderbares Projekt in Madagaskar gehört auch dazu.

Die Mobile Hilfe Madagaskar wir geleitet von der deutschen Hebamme Tanja Hock. Sie ist dort als Hebamme, Rettungssanitäterin und Ausbilderin für Hebammen tätig. Begonnen hat sie mit Ihrer Arbeit vor Ort bereits 2006, woraus 2010 der Verein "Mobile Hilfe Madagaskar" entstand. Der Verein unterstützte bereits den Ausbau einer Krankenstation, die Arbeit mit dem Hebammenmobil und neuerdings auch einem Zahnarztmobil. Weitere Projekte sind in Planung, wie zum Beispiel der Bau eines Sectio-OPs.

Wir freuen uns sehr über Tanjas Engagement und, dass wir sie mit unseren Lehrmitteln in Madagaskar unterstützen können.

 Für alle, die einen kleinen Einblick in Tanjas alltägliche Arbeit haben möchten, haben wir hier einen Ausschnitt aus einem Artikel im Hebammenforum von November 2016:

"Mora, Mora", oder: Nur mit der Ruhe!

Einen Tag vor Weihnachten 2015 gehe ich gegen neun Uhr morgens nach Hause. Meine Wohnung liegt auf dem Nachbargrundstück unserer Krankenstation. Nach einem sehr frühen Start in den Tag wollte ich duschen und einen Happen essen. Ich bin kaum da, das Telefon klingelt, und meine aufgeregte Hebamme am Telefon sagt: »Komm sofort.« 

Was mich heute erwartet, stellt viele meiner verrückten Erlebnisse in den Schatten. Ich sehe eine Frau, nicht mehr ganz jung, schon nahezu apathisch in unserem Gebärzimmer ausharren. Ihr Bauch ist enorm groß und genauso hart, ich kann nichts ertasten. Die traditionelle Geburtshelferin steht verschwitzt daneben. Was schon alles passiert ist, werde ich nie erfahren. Herztöne finde ich weder mit dem Pinard-Stethoskop noch mit dem Fetaldoppler, im Ultraschall sehe ich eine Herzfrequenz des Babys bei maximal 80 Schlägen pro Minute. Der Muttermund ist vollständig eröffnet, der Kopf fest im Beckeneingang, ein Tiefertreten während der Wehen ist jedoch nicht festzustellen. Der Versuch, die werdende Mutter zum Schieben anzuleiten, verhallt. Ein Anruf im nächstgelegenen Krankenhaus scheint mir die einzige, wenn auch vage Hoffnung. Mit der Antwort auf meine Frage, ob ein OP-Team anwesend sei, habe ich nicht gerechnet: »Ja!« Ein Wunder. 

Ich weiß, dass wir für die elf Kilometer rund 50 Minuten brauchen werden. Die besondere Herausforderung ist die Regenzeit, unser Rettungswagen kann die Schlammpiste nicht mehr überwinden. Auf einer Wickeltisch-Auflage platzieren wir die Frau im Kofferraum meines Allradfahrzeugs. Ich an ihrer linken Seite, Njara, meine madagassische Hebamme, an ihrer rechten. Am Steuer sitzt Carmen, eine deutsche Unternehmensberaterin, die bereits zum zweiten Mal ehrenamtlich bei uns ist. Eigentlich ist ihre Aufgabe, unsere Abläufe im Büro zu verbessern, doch hier schätzen wir ihre Allroundfähigkeiten. Auf dem Beifahrersitz sitzt Micha Kässer, er ist Pilot für unser Ultra-Leicht-Flugzeug und zurzeit im Sabbatjahr bei uns auf Madagaskar. Carmen fährt, auf meine Anweisung, viel schneller als üblich, Micha drückt permanent die Hupe, sodass alle Fußgänger*, Fahrradfahrer und Ochsenkarren möglichst schnell ausweichen. Die hochgeklappten Sitze schlagen uns bei jedem der gefühlten 1000 Löcher gnadenlos in den Rücken. Nie war ich so schnell auf der vier Kilometer entfernten Hauptstraße. Und dennoch ist es eine Fahrt, die scheinbar nie enden will, denn alles, was von der Frau noch zu hören ist, ist: »Ich sterbe.« 

Genau 43 Minuten nach meinem Anruf kommen wir im Krankenhaus an. Leider werden wir weder erwartet noch ist der OP vorbereitet. Das entspricht ganz der madagassischen Lebensweise. »Mora, mora«, sagen die Einheimischen, was so viel heißt wie »nur mit der Ruhe«. Nach weiteren endlosen Minuten liegt die Frau endlich auf dem OP-Tisch. Die Sectio wird ausnahmsweise in Vollnarkose durchgeführt. 

Endlich ist es da. Das Neugeborene hängt schlaff auf dem Arm des Operateurs. Keine Hebamme ist verfügbar, so nehme ich das Kind ab und kämpfe mit primitiven Mitteln um das Leben. Ein einfacher Mundabsauger ist verfügbar, mit kalten Wassergüssen und Abreibungen setze ich Reize, Wiederbelebung mit Herzdruckmassage sind meine Möglichkeiten. Ein einfacher Ambubeutel fehlt dem Krankenhaus, aber wir haben unseren mitgebracht! Zwanzig Minuten nach der Geburt keimt in uns die Hoffnung auf, dass das kleine Mädchen es schaffen wird. Es ist das 14. Kind der Familie und wiegt über 4000 Gramm. Und das bei einer Körpergröße der Mutter von unter 1,50 Meter. 

Es ist wieder einmal gut gegangen, aber Geburtshilfe unter diesen Bedingungen schafft es immer wieder mal, mich zu schockieren. Und wie wir später erfahren haben, war die Hebamme in der Notaufnahme beschäftigt, denn nahezu gleichzeitig wurde eine junge Frau mit ihrem zweijährigen Kind gebracht. Die beiden hatten einen Verkehrsunfall, den sie nicht überleben werden. Dies alles in einem der besten Krankenhäuser unserer Hauptstadt.

  

Wenn Ihr noch weitere Infos zum Projekt Mobile Hilfe Madagaskar haben möchtet, findet Ihr hier Tanjas Kontakt.

Tanja Hock

Kontakt: tanja@mobile-hilfe-madagaskar.de

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